Neues Glossar

Das Glossar wurde zum ersten Mal im LISSA-Buch "Begabungsförderung steigt auf" publiziert (hep-Verlag 2017). Die inhaltliche Verantwortung liegt bei Victor Müller-Oppliger.

Das Glossar wird laufend ergänzt und aktualisiert. Ergänzungen zu den vorliegenden Begriffen können bei uns eingereicht werden unter:
info@lissa-preis.ch.

A

Beim adaptiven Lernen wird eine optimale Passung zwischen den Voraussetzungen und Möglichkeiten der Lernenden, dem Lernangebot sowie der Lernunterstützung hergestellt. Adaptive Lehrkompetenz bezeichnet die Kompetenz, die Planung und Durchführung von Unterricht so auf die individuellen Lernvoraussetzungen der Schülerinnen und Schüler auszurichten und beim Unterricht laufend anzupassen, dass für möglichst viele von ihnen bestmögliche Bedingungen zum Erreichen der Lernziele geschaffen werden.

Akzeleration wird unterschiedlich verwendet. Einerseits rein strukturell, wenn Schülerinnen oder Schüler den vorgesehenen Lehrplan oder Teile davon früher beginnen, beenden oder durcharbeiten können, als es üblich und gesetzlich vorgesehen ist. Dazu gehören Früheinschulung, Überspringen einer Klasse oder der vorzeiti-ge Übertritt in eine höhere Schulstufe. Damit werden die generellen Anforderungen ohne Berücksichtigung sozialer oder altersspezifischer Faktoren erhöht. 
Akzeleration bedeutet andererseits, dass die Lerninhalte durch abgekürztes Bearbeiten einzelner Unter-richtseinheiten oder über mehrere Fachbereiche hinweg beschleunigt durchgearbeitet werden (Compacting). Durch diese didaktische Massnahme wird Raum für Enrichment geschaffen.

Anstelle von Jahrgangsklassen werden altersdurchmischte Abteilungen/Klassen/Gruppen geführt. Die individuelle Förderung für unterschiedliche Begabungen und Entwicklungsstadien kann dadurch organisatorisch unterstützt werden. Die Jüngeren lernen von den Älteren und umgekehrt, Lernen geschieht zyklisch. Eigenverantwortliches und eigenständiges Lernen wird gezielt gefördert und geübt.

Der Atelierbetrieb ist eine Form von Enrichment (Anreicherung über den Klassenunterricht hinaus). Schülerinnen und Schüler können während bestimmten Zeitfenstern zwischen unterschiedlichen Angeboten aus Kursen wählen – meist zusätzlich zu den regulären Schulfächern – und ihren eigenen Stundenplan nach persönlichen Interessen und Fähigkeiten mitgestalten. Im Vordergrund stehen interessengeleitetes und eigenständiges Arbeiten sowie die Möglichkeit zur Öffnung der Horizonte über die traditionellen Schulfächer hinaus.

B

Als «begabt» werden in der Regel Personen bezeichnet, die sich im Vergleich mit anderen durch eine höhere Leistungsfähigkeit und ein grösseres Förderpotenzial auszeichnen. Dazu zeigen Begabte meist weitere nicht kognitive Persönlichkeitsmerkmale in hoher Ausprägung, die für die Entwicklung ihres Leistungspotenzials förderlich sind. Dies sind u. a. eine hohe Leistungsmotivation, günstige Arbeits- und Lernstrategien sowie ein positives Selbstkonzept. Damit eine Begabung sich ausprägen kann, müssen verschiedene Faktoren zusammenspielen. So unterstützen eine förderliche familiäre und soziale Lernumwelt und eine auf positive Resonanz und die Förderung von Begabungspotenzialen ausgerichtete Schule die Begabungsentwicklung. 

Der Begriff Begabtenförderung umschreibt Massnahmen zur Förderung von Kindern und jungen Menschen mit überdurchschnittlichen Leistungspotenzialen, die über den normativen Regelunterricht hinausgehen. Dabei umfasst Begabtenförderung alle Bildungsdomänen; die schulischen kognitiven Fächer, aber auch

Begabungsdomänen, die im schulischen Unterricht oft nur eine untergeordnete Rolle spielen (z. B. körperlich-sportliche, künstlerisch-gestaltende, musikalische, soziale Begabung) oder Interessengebiete, die ausserhalb der schulischen Lehrpläne liegen. Beispiele zur Begabtenförderung sind:

  • Compacting des Basislehrplans zur Straffung unnötiger Trainings- und Übungszeit
  • Unterrichtsergänzendes Enrichment und Pull-out-Programme zur individuellen Förderung spezifischer Begabungen in individuellen Projekten
  • Akzeleration als Überspringen von Lerneinheiten oder Zulassung zu höheren Leistungskursen, Klassen oder zur vorzeitigen Hochschulbelegung im Interessengebiet
  • Mentoring als individuelle Förderung durch eine qualifizierte Fachperson
  • Ergänzende ausserschulischen Förderaktivitäten (Vereine, Angebote, Wettbewerbe, Camps u.Ä.)

Im Alltagsgebrauch wird der Begriff «Begabung» als vorhandene Fähigkeiten verstanden. Häufig verbindet sich mit der Begabungszuschreibung zugleich auch ein Verständnis des Besonderen. Ein durchschnittlicher Klavierspieler wird in der Regel nicht als «begabt» beschrieben. Die Zuschreibung einer Begabung verweist daher auf ein überdurchschnittliches Potenzial, das gefördert werden könnte/sollte (Begabungsförderung). Weil der Begriff in der Alltagessprache oft unspezifisch verwendet wird, empfiehlt sich die Unterscheidung in vorhandene «Begabungspotenziale» der Person und in die in Bildungs- und Lernprozessen realisierte oft so bezeichnete (Hoch-)Begabung als «Hochleistung». Aktuelle und mehrdimensionale Begabungsmodelle umfassen neben intellektuellen und kognitiven Fähigkeiten auch künstlerisch-kreative, technisch-praktische, körperlich-sportliche und sozial-emotionale Fähigkeiten. 

Der Auftrags zur Begabungsförderung in Bildung und Erziehung ist Ausdruck eines bildungsdemokratischen Lehr-Lern-Verständnisses, das alle Schülerinnen und Schüler ihren individuellen Möglichkeiten entsprechend optimal fördern will. Dieses Bildungsversprechen rückt das Individuum mit seinem persönlichen Bildungspotenzial, seinem (vorläufigen) Wissen und Können und seinen spezifischen Lernfähigkeiten, Interessen und Motiven ins Zentrum. Schule und Unterricht wollen den jeweiligen Bildungs- und Entwicklungsvoraussetzungen aller Schülerinnen und Schüler gerecht werden. Dies erfordert von Lehrpersonen, sich an den Lern- und Leistungspotenzialen der Lernenden zu orientieren und Lernmaterial, -medien und -methoden entsprechend differenziert zu gestalten und einzusetzen.

Unterschiedliche Begabungsmodelle versuchen, die Bedingungen der (Hoch-)Begabung strukturell und prozessual auszuweisen. Gängige Modelle sind das grundlegende systemische «Drei-Ringe-Modell» nach Renzulli (1978), das davon abgeleitete «Triadische Modell» von Mönks (1990), das «Talentmodell» von Gagné (1993) sowie das «Münchner Hochbegabungsmodell» nach Heller, Hany und Perleth (1994). Neuere Modelle sind das «Aktiotop-Modell» nach Ziegler (2005/09), das die soziokulturellen Bedingungen in den Vordergrund rückt, das «Integrative Begabungsmodell» von Fischer (2006) zum Entwicklungsprozess sowie das «Ökologische Begabungsmodell» (Müller-Oppliger 2009/14), das als pädagogisches Modell auf die personale Entwicklung von Begabungen in Lernprozessen und deren didaktische Umsetzung fokussiert.

  • Soziale Bezugsnorm:           
    Vergleich der Leistungen einer Schülerin/eines Schülers mit den Leistungen anderer Schülerinnen und Schüler (z. B. innerhalb der Klasse); Soziales Ranking innerhalb von Lerngruppen
  • Formative oder individuelle Bezugsnorm:
    Vergleich der aktuellen Leistung eines Schülers/einer Schülerin mit früheren Leistungen; Beurteilung des Lernzuwachses resp. der Potenzialrealisierung
  • Kriteriale oder Sach-Bezugsnorm:
    Vergleich der Leistungen einer Schülerin/eines Schülers mit festgelegten Kompetenzen, Qualitätsanforderungen oder Kriterien

C

Begabte Kinder und Jugendliche arbeiten nicht zwangsläufig schneller als ihre Klassenkameraden; sie lernen aber schneller und brauchen oft weniger Einführungs- und Übungszeit als andere. Unter Curriculum Compacting versteht man die Straffung und Intensivierung des Basislehrplans nach individuellen Fähigkeiten. Dadurch soll die Wiederholung von bereits gelerntem Stoff vermieden werden. Wenn Lernende etwas schon beherrschen, kann die unnötige Übungszeit entweder zur ergänzenden Vertiefung des Themas oder für alternative Lerninhalte (persönliche Projekte, Enrichmentangebote o.Ä.) eingesetzt werden. Compacting erhöht die individuelle Herausforderung innerhalb des regulären Unterrichts und vermeidet sogenannte «Warteräume», bis die Mitschüler und Mitschülerinnen die Klassenlernziele erreichen. Selbstorganisiertes Lernen mit Lernkontrollen, die zu unterschiedlichen Zeiten (ggf. auch mehrfach) durchgeführt werden können und Lernen mit erweiterten Lernformen mit Teil-Kompetenznachweisen eignen sich didaktisch zur Lehrplanstraffung ebenso wie Vor- oder Zwischentests, in denen die Lernenden zeigen, dass sie einen Inhalt bereits beherrschen. 

D

Ein Problem gewisser Intelligenztests besteht darin, dass Hochbegabte manchmal die meisten oder alle Aufgaben lösen und damit an die «Decke» des Testverfahrens stossen. Dies verhindert eine Aussage darüber, was die Kinder und Jugendlichen wirklich zu leisten imstande wären. Der Begriff «Deckeneffekt» entstand in der Testpsychologie, er kann aber auch auf schulischen Unterricht transformiert werden: Unterricht, der nur auf «richtig oder falsch» oder das «Erfüllen bestimmter Erwartungen» angelegt ist und keine Gelegenheiten bietet, zu zeigen, was Lernende über Lehrerwartungen hinaus effektiv vollbringen könnten.

Dialogisches Lernen setzt sich ab vom tradierten Belehrungsmodell, in dem Wissende die Unwissenden instruieren. Zwar sind Lerndialoge immer Dialoge zwischen Ungleichen, dennoch begegnen Lehrende und Lernende sich im Lerndialog auf Augenhöhe. Sie formulieren dabei ihre Positionen und dahinterliegenden Begründungen. Im Gespräch stellen Lernende ihr Verständnis der Lerninhalte vor. Im anschliessenden Dialog werden Missinterpretationen und Fehler entdeckt, diskutiert und Sachinhalte geklärt (Co-Konstruktion). Der Lerndialog ermöglicht Lernenden und Lehrenden Einsichten in die Lernprozesse der Schülerinnen und Schüler sowie Verstehen und Respekt vor den beidseitigen Zugangsweisen. Dialogisches Lernen orientiert sich an den Prinzipien der Subjektorientierung (des/der Lernenden und dessen/deren Verstehens), der Inhaltsorientierung (Klärung der Sache im Gespräch) und der Prozessorientierung (gemeinsamer Lernweg). Lerndialoge sind ein grundlegendes Element im Lernen mit Portfolios und Lernjournalen.

Differenzierung ist bestrebt, eine den individuell unterschiedlichen Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler entsprechende Lernsituation zu ermöglichen. Um dies zu erreichen, erfolgt Differenzierung auf zwei Ebenen:

  • Als innere Differenzierung (Binnendifferenzierung) wird die Anpassung des Lehrplans, der Lernziele und Lernmethoden an die unterschiedlichen Lernvoraussetzungen, Fähigkeiten und Interessen innerhalb heterogener Lerngruppen/Klassen bezeichnet. Die klassenintegrative Begabungsförderung, in der unterschiedlich begabte Lernende miteinander und voneinander lernen, ist ein Anliegen innerer Differenzierung. Erweiterte Lernformen und individualisiertes Lernen in differenzierenden Lernlandschaften sind Ausdruck innerer Differenzierung des Unterrichts.
  • Äussere Differenzierung umfasst alle strukturellen Differenzierungsmöglichkeiten, verschiedenen Niveaus und Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler gerecht zu werden. Dies beinhaltet klassen-, alters- und schulübergreifende Angebote spezifischer (Begabungs-)Förderung, interessengeleitetes Lernen in Wahl- und Neigungsbereichen oder Niveaugruppen (Grouping) sowie den Regelunterricht ergänzende Pull-out-Programme und Mentoring. Zur äusseren Differenzierung gehören aber auch generell die Durchlässigkeit eines Bildungssystems (zwischen Schultypen, Leistungsniveaus, zwischen eher beruflich und eher akademisch orientierten Bildungsgängen) sowie neue Formen der Leistungsbewertung, welche die Kompetenzen der Lernenden personenbezogen und an Kriterien orientiert in Leistungsprofilen ausweisen.

Generalisierte und statische Zuweisungen von Jugendlichen in fest umschriebene Leistungsstufen (Schultypen) haben sich in den vergangenen Jahren als «Scheinhomogenität» erwiesen. Gymnasiasten bzw. Gymnasiastinnen und (Hoch-)Begabte stellen ebenso wenig homogene Schüler/innengruppen dar wie Lernbeeinträchtigte.

Das «Drehtürmodell» beruht auf dem Prinzip, dass die Schülerinnen und Schüler zu festgelegten Zeitfenstern den Unterricht in der Regeklasse verlassen können, um in dieser Zeit selbstständige Projekte zu bearbeiten, Lerninhalte in einer höheren Klassenstufe zu besuchen oder an einem klassenübergreifenden Begabungsprogramm teilzunehmen. Die Bezeichnung «Drehtür»-Modell signalisiert, dass Lernende zwischen dem regulären Unterricht und individueller Förderung ohne aufwendige Administrativverfahren in hoher Flexibilität wechseln können, wenn das Basislernprogramm garantiert und eine zusätzliche Förderung angezeigt ist. Jugendliche nehmen in dieser Zeit die Angebote in klassenübergreifenden Talent Pools, Pull-out-Stunden oder in Begabtenateliers wahr; in fortgeschrittenen Schularten geben Freistellungen vom Normunterricht auch die Gelegenheit, mit ausserschulischen Berufsleuten, Künstlerinnen, Forschern und Fachmentorinnen zusammenzuarbeiten.

Die flexible Handhabung nach dem «Drehtürmodell» entspricht dem dynamischen Verlauf von Begabungen. Auf diese Weise nehmen Lernende dann an Förderprogrammen teil, wenn sie überdurchschnittliche Leistungen zu erbringen imstande sind. Sie verlassen das Begabungsprogramm, wenn die Lernzeit anders benötigt wird oder wenn sich entwicklungsbedingte oder persönliche situative Veränderungen ergeben haben. Das Drehtürmodell ermöglicht auch, probeweise und «auf Zeit» ein Klassenüberspringen oder einen Wechsel innerhalb von Niveaustufen zu versuchen. Es schafft – als Alternative für oft fragwürdige prognostische Identifikations- und Zuweisungsverfahren – einen realen Erfahrungsraum als Grundlage für Förderentscheide.

Bei dysfunktionalem Perfektionismus leiden Leistungsstarke unter übersteigert hohen Selbstansprüchen, denen sie nicht zu genügen glauben. Die pathologische Angst vor Misserfolg kann zu Versagensängsten, Blockaden und einem Einbruch des Selbstwertgefühls führen.

E

Enrichment (Anreicherung) kann sowohl eine inhaltliche Vertiefung und Erweiterung innerhalb gemeinsamer Lerninhalte umfassen als auch weiterführende Lernaktivitäten über den schulischen Lehrplan hinaus. Enrichment regt interessierte und motivierte Schüler und Schülerinnen an, sich in ihren Begabungsdomänen vertieft weiterzuentwickeln oder sich neue Interessengebiete zu erschliessen. Ein umfassendes schulisches Enrichment-Modell (SEM), das sich internationaler Akzeptanz und Umsetzung erfreut, wurde 1997 durch Renzulli und Reis entwickelt. Es beinhaltet u.a.:

  • Typ-l-Aktivitäten: Anregende Begegnungen mit Fachpersonen und «Schnupperangebote» zur Erschliessung neuer Interessen; Initiation und Identifikation
  • Typ-ll-Aktivitäten: Aufbau von Strategien, Techniken und Methodenkompetenz zu interessengeleitetem, projektbezogenem Lernen; Befähigung zu selbstorganisiertem Lernen und Gestalten mit dem Fokus auf erhöhte Anforderungen
  • Typ-lll-Aktivitäten: Durchführung bedeutsamer eigenständiger Projekte in Einzelarbeit oder Kleingruppe; Präsentation und Reflexion des Geleisteten

F

(Typ-III-Aktivität) 

Die Freiarbeit ist eine anspruchsvolle Unterrichtsform, in der Schülerinnen und Schüler sich – in Absprache mit der Lehrperson – eigene Ziele setzen, die sie erreichen möchten (Prozess- und Produktziele resp. fachliche, persönlichkeitsbildende und soziale Ziele). In der selbstständigen Auseinandersetzung mit ihren Themen und Fragestellungen erhalten Lernende einen grossen Freiraum, ihre selbst gewählten Tätigkeiten/Projekte zu planen, zu organisieren, durchzuführen und auszuwerten. Dies beinhaltet auch das Setzen von Kriterien und Gütemassstäben (Selbstverpflichtung), denen sie ihre Leistung anschliessend unterziehen.

Angebot an leistungsstarke Schülerinnen und Schüler der gymnasialen Mittel- oder Oberstufe, bereits parallel zur Schulausbildung mit einem Hochschulstudium zu beginnen, wobei ihnen bei der Weiterführung des Studiums nach der Matur resp. Berufsmatur vorher erbrachte Studienleistungen anerkannt werden.

G

Unter Grouping (Gruppenbildung) wird das Förderprinzip verstanden, (hoch-)begabte Schüler und Schülerinnen fach- oder themenspezifisch aber klassenübergreifend in Leistungs- oder in Interessengruppen zu fördern. Forschungsergebnisse belegen, dass für viele (hoch-)begabte Schülerinnen und Schüler das sich gegenseitig anregende und herausfordernde Umfeld durch die Zusammenarbeit mit anderen leistungsstarken Lernenden positiv motivierend und leistungssteigernd wirkt.

H

Heterogenität anerkennt, dass Menschen sich in Personenmerkmalen wie Denkfähigkeit, Verarbeitungsgeschwindigkeit, Reizverarbeitung usw. unterscheiden. In Erweiterung des Heterogenitätskonzepts verweist «Diversität» darauf, dass sich Menschen nicht nur durch genetische Unterschiede, sondern auch durch ihre Sozialisation unterscheiden. So sind multikulturelle und soziokulturelle Einflüsse (bildungsnahe und bildungsferne familiale Herkunft) mit unterschiedlichen Wertevorstellungen und Bildungsaspirationen wesentlich mitbeteiligt an der Verschiedenartigkeit von Schülerinnen und Schülern beim Eintritt in die Schule.

Im Bildungssystem wurde über Generationen das Bilden homogener Gruppen nach vergleichbarem Entwicklungs- und Leistungsstand angestrebt (Jahrgangsklassen, mehrgliedrige Sekundarschule I, separative Sonderschulung). Homogen zusammengesetzte Lerngruppen sollten das Unterrichten erleichtern und das Lehren wirksamer gestalten. Solche Scheinhomogenitäten erwiesen sich jedoch als Fiktion; gleichwohl wurde der Unterricht lange auf nicht existente, «mittlere Normalschüler» ausgerichtet. Lernende, die dieser Norm nicht entsprachen, liefen Gefahr, zu wenig vom Unterricht profitieren zu können oder gar ausgesondert zu werden.

Mit der Pluralisierung der Gesellschaft und zunehmender Sensibilität für Bildungsungerechtigkeit aufgrund zugeschriebener Merkmale wie Geschlecht, Alter und sozialer Herkunft erweist sich die Konzeption vermeintlich homogener Lerngruppen als problematisch und nicht mehr haltbar (Stigmatisierung, Etikettierung). Die Gruppierung aufgrund biologischer oder generalisierter Merkmale wirkt sich für das Lernen weniger förderlich aus als erhofft und kann bei Lernenden mit uneinheitlichen Begabungspotenzialen zur Bildungsbenachteiligung führen. Deshalb ist in aufgeklärten Bildungssystemen eine Trendwende hin zur bewussten Akzeptanz heterogen zusammengesetzter Lerngruppen (z. B. altersdurchmischtes Lernen) zu beobachten.

Hochbegabung stellt ein hohes Entwicklungspotenzial in einer bestimmten Begabungsdomäne dar. Dabei ist der Begriff problematisch, weil das Attribut «hoch» in keinem Bereich objektiv quantifizierbar ist. Der internati-onal anerkannte Konsens zur Hochbegabung betrachtet diese als: «Möglichkeit zu Hochleistungen, die im Vergleich zu Gleichaltrigen durch Exzellenz, Seltenheit, Produktivität, Demonstrierbarkeit und besonderen Wert auffallen» (Sternberg/Zhang 1995).
Die Marland-Definition (US Department of Education 1972) nennt dazu als Fähigkeitsbereiche: allgemeinen Intellekt, domänenspezifische akademische Fähigkeiten, Kreativität, Führungskompetenz, bildnerische, musi-sche und darstellende Künste sowie Psychomotorik.
Die lange Zeit in schulischen Kreisen tradierte Definition «Hochbegabung liegt bei IQ 130 vor» ist nicht länger haltbar, weil dadurch Hochbegabung auf gezeigte messbare kognitive Teilleistungen reduziert wird und Hoch-leistungen in nicht akademischen Domänen ebenso vernachlässigt werden wie die zur Entwicklung von Hochleistung unabdingbaren weiteren co-kognitiven Personenmerkmale. 

I

Das Entdecken von Begabungspotenzialen, Interessen und überdurchschnittlichen Fähigkeiten liegt im Be-rufsauftrag jeder Lehrperson. In Zusammenarbeit mit Eltern, Erziehungsberechtigten und aufgrund der Be-obachtung der Leistungen und Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler lassen sich überdurchschnittliche Fähigkeiten und Begabungspotenziale weitgehend erkennen. 
Da die Forschung jedoch zeigt, dass Lehrpersonen Begabungen oft nicht realisieren, verfügen viele Schulen über Lehrpersonen mit einer entsprechenden Zusatzausbildung in Begabungsförderung (Zertifikatslehrgang (CAS) und Weiterbildungsmaster (MAS) zur Integrativen Begabungs- und Begabtenförderung IBBF). Diese Fachpersonen unterstützen Lehrpersonen und Schulleitungen bei der Identifizierung von besonderen (auch verdeckten) Begabungen bei Schülerinnen und Schülern.
Zur Begabungserfassung durch alle am Bildungsprozess Beteiligten existiert für die Hand von Lehrpersonen, Begabungsfachpersonen und Eltern eine Vielzahl von Beobachtungsbögen, Fragebögen und Checklisten, die das Entdecken von Begabungspotenzialen ermöglichen.

In speziellen Fällen (bei Verdacht auf Minderleistung oder Fehlentwicklungen der Begabungsentfaltung) er-folgt die vertiefte Abklärung der psychologischen Hintergründe durch den Schulpsychologen oder die Schul-psychologin. Dabei achtet eine umfassende Begabungsabklärung in jedem Fall darauf, dass nicht nur intel-lektuelle Fähigkeiten (IQ) erfasst werden, sondern Potenziale in allen Begabungs- und Bildungsbereichen ebenso wie co-kognitive Voraussetzungen und Einstellungen zur Leistung bzw. Leistungsverweigerung mit-einbezogen werden.
In Bildungssystemen, in denen durch die Gesetzgebung nach wie vor ein bestimmter IQ als Kriterium für den Zugang zu Fördermassnahmen verlangt wird, liegt die Abklärung entweder beim Schulpsychologen bzw. bei der Schulpsychologin oder bei den Fachpersonen MAS IBB mit anerkannter Zusatzqualifikation zur Bega-bungsabklärung. 

Inklusion bedeutet, dass Schülerinnen und Schüler in einer heterogenen Lerngemeinschaft ohne Ausgren-zung und Etikettierung gemeinsam aneinander und voneinander lernen können. Eine Schule der Inklusion ist demnach das Abbild einer pluralistischen demokratischen Gesellschaft. Dabei wird nicht ausgeschlossen, dass Lern- und spezifische Förderanlässe zeitweise in klassenübergreifenden und ergänzenden Lernformaten stattfinden. Die Auffassung, Inklusion würde das Unterrichten von Lernenden mit unterschiedlichen Bedürfnissen auf den gemeinsamen Klasseunterricht eingrenzen, ist ein zu kurz greifendes Fehlverständnis des Inklusionsansatzes. Inklusion steht für barrierefreien Unterricht, der allen Lernenden den Zugang zu den Lerninhalten ermöglicht, sowie für die Anerkennung verschiedenartiger Förderung durch unterschiedliche Lernformate innerhalb einer Schule der Vielfalt als lernender Gemeinschaft. 

K

In Kompetenzrastern wird konkret festgehalten, welche Kompetenzen die Lernenden in Bezug auf bestimmte Lerninhalte erreichen. Oft wird der erreichte Lernstand nach vier Prädikaten beurteilt (Defizitstufe, elementare Entwicklungsstufe, fortgeschrittene Entwicklungsstufe, Exzellenzstufe). Kompetenzraster haben traditionellen Bewertungspraktiken gegenüber den Vorteil, dass ausgewiesen wird, was Schülerinnen und Schüler, auf Sachkriterien bezogen und objektiviert, konkret können (kriteriale Bezugsnorm). Dadurch ist die Leistungs-bewertung kompetenzbezogen und nicht relativiert durch den Bezug auf eine bestimmte soziale Lerngruppe 
Das Lernen mit Kompetenzrastern ermöglicht, Fortschritte in Lernprozessen in förderdiagnostischem Sinn progressiv auszuweisen. 

L

Lernlandschaften resp. Lernumgebungen ermöglichen den Schülerinnen und Schülern, innerhalb bestimmter Themen oder Zeiträume mehr oder weniger leistungsdifferenzierende Lernaufgaben in unterschiedlicher Lernzeit zu bearbeiten. Das selbstorganisierte Lernen in der Lernlandschaft – in Verbindung mit gezielten In-puts und einer personalisierten Lernbegleitung – will individualisiertes Lernen ermöglichen, das sich an den jeweiligen Lernvoraussetzungen und Fähigkeiten der einzelnen Schülerinnen und Schüler orientiert. Es be-rücksichtigt deren Vorkenntnisse, Zugangsweisen, unterschiedliche Lerngeschwindigkeiten sowie die indivi-duellen Niveaus der vertiefenden Auseinandersetzung mit den Lerninhalten. Die Organisation der Lernaufga-ben erfolgt in der Regel über Wochenpläne, Werkstattunterricht, Leitprogramme oder andere erweiterte Lern-formen. Dabei werden die Lernenden nicht sich selbst überlassen, sondern – falls nötig – in ihren individuellen Lernpfaden begleitet. Für Fragen ist ein Supportsystem vorhanden, das Unterstützung und Hilfeleistung bie-tet. Die Lernenden halten ihre individuellen Lernwege fest in ihren persönlichen Portfolios oder Arbeitsplänen, die in der Lernberatung besprochen und bewertet werden. 

Im Lerntagebuch oder Lernjournal halten die Schülerinnen und Schüler individuelle Zielsetzungen, Lernerfahrungen sowie Schwierigkeiten oder Fragen im Lernprozess oder zu den Lerninhalten (Sinn- und Wertefragen) im Sinn einer Arbeitsrückschau schriftlich fest. Die Lernenden setzen sich mit ihrem eigenen Lernen (Strategien, Widerständen, Erfolgserleben) auseinander (Metakognition). Das Lernjournal stellt die Grundlage für regelmässige Lerndialoge zum eigenen Lernen mit der Lehrperson dar.
Im Gegensatz zum Portfolio (Produkte-, Leistungsdarstellung) orientiert sich das Lernjournal an der Person und deren Lernkompetenzen und Lerneinstellungen. Das Lernjournal ist ein sehr persönlicher Bestandteil des Portfolios. Aus diesem Grund ist zu vereinbaren, wer zu welchem Zweck Einblick in das Lernjournal erhält (z. B. Mentoren und Mentorinnen, Klassenlehrperson, Vertrauenslehrpersonen u. a.). 

M

Ein Mentor bzw. eine Mentorin ist eine Fachperson, Expertin oder ein Experte einer Fachdomäne, die eine Schülerin resp. einen Schüler (Mentee) in dessen Begabungsdomäne oder in einem Projekt unterstützt. Das Ziel ist eine vertiefte Unterstützung und Anregung zur Begabtenförderung über den Unterricht und die Schule hinaus, dort, wo diese jenes nicht leisten kann.
Mentoren und Mentorinnen sind fachliche und persönliche Vorbilder. Sie fördern die überdurchschnittlichen Begabungen und Interessen ihrer Mentees, helfen ihnen bei der Zielfindung, Orientierung und Prioritätensetzung und korrigieren Fehlentwicklungen und Fehlverständnisse. Sie regen ihre Mentees an und eröffnen ihnen weitere Horizonte.
Mentoring ist ein Prozess, in dem Mentoren und Mentorinnen die Entwicklung von Mentees ausserhalb der normalen Unterrichtsbeziehung unterstützen. In der schulischen Begabungsförderung kann sich dies unterschiedlich ausgestalten. Die Mentorin für einen Primarschüler kann etwa eine Lehrperson aus einer höheren Schulstufe mit spezifischer Expertise sein. Mentoren sind oft auch ausserschulische Künstler, Forscherinnen, Handwerker und Berufsleute mit überdurchschnittlichem Engagement und Expertise (auch Senioren). Mentorate werden in der Regel durch die ausgebildete Fachperson der Begabtenförderung der Schule organisiert und (an-)geleitet und setzen schriftliche Vereinbarungen zwischen allen Beteiligten voraus. Mentorate basieren auf Freiwilligkeit, einer positiven Beziehung zwischen Mentor bzw. Mentorin und Mentee, sowie auf einer Vorbildkultur. 

Minderleistung (engl. Underachievement) liegt vor, wenn Schülerinnen und Schüler ihre Fähigkeiten, nicht in adäquate Leistungen umsetzen können (oder wollen); d. h., wenn Menschen ihre Potenziale nicht als entsprechende Leistungen zu realisieren vermögen. Beispiele sind Schüler und Schülerinnen, die trotz hoher Intelligenz nur mässige oder schlechte Schulleistungen erbringen und an der Schule scheitern oder Lernende, die ihre Fähigkeiten in verschiedenen Begabungsdomänen nicht zeigen können.
Bei Verdacht auf Minderleistung kann es angezeigt sein, einen Intelligenztest durchzuführen, um eine allfällige Diskrepanz zwischen IQ (als Teilpotenzial) zu den tiefen Schulleistungen festzustellen und damit Fördermassnahmen zu erwirken. 

In Erweiterung des traditionellen Intelligenzkonzepts, das sich an kognitiven Leistungen orientiert, hat Gardner (1999) drauf verwiesen, dass sich der Intelligenzbegriff auch über akademische Faktoren (sprachgebunden-mathematisch/logisch) hinaus in weiteren Domänen (körperlich, musisch, ästhetisch, sozial, existenziell u. a.) manifestieren kann. Auch weitere Konzepte, etwa das von Sternberg (1997) mit der Betonung praktischer und sozialer Intelligenz oder Golemans (1995) emotionale Intelligenz, haben den Horizont der Begabungsförderung darauf hin erweitert, über akademische Intelligenzdefinitionen hinaus Begabungen in den multiplen Begabungsdomänen im Sinn eines breiten Bildungsverständnisses anzuerkennen und zu fördern. 

O

Einige (Hoch-)Begabte weisen eine überdurchschnittlich hohe Sensibilität auf, die sie vieles anders erleben lässt als ihre Altersgenossen und ihr soziales Umfeld. Diese Übersensibilität kann zu Lern- und zu sozialen Behinderungen, Blockaden und einer problematischen Selbstwahrnehmung führen, die darin resultieren kann, dass sie sich zurücknehmen und sich in ihrer Lernumgebung nicht entfalten können. 

P

Portfolios sind die Dokumentation individueller Lernleistungen und Reflexionen. Sie erfüllen dabei verschiedene Funktionen: So können sie den gesamten Lernweg darstellen oder eine Sammlung ausgewählter Meisterstücke sein (Total Talent Portfolio nach Renzulli; «Best-of-Portfolios»). Darüber hinaus enthalten viele Entwicklungsportfolios ein persönliches Profil der Lernenden (Lernstil, Interessen, Motive, individuelle Stärken und Schwächenprofile), das der Selbstwahrnehmung dient. Ferner beinhalten die Portfolios persönliche Reflexionen (oft in Form eines Lernjournals der Lernenden), in dem diese ihre individuellen Lernwege, Motivation, Widerstände, Lerneinstellungen und Fragen zur Diskussion im persönlichen Lerndialog/Lerncoaching festhalten. Individuelle Lernvereinbarungen (Vereinbarungskultur, Contracting) nehmen eine Steuerungsfunktion für das weiterführende Lernen und angestrebte nächste Ziele ein.
Während Leistungsdokumentation im Portfolioteil bewertet werden kann, dient das Lernjournal resp. das Lerntagebuch der Entwicklung der Persönlichkeit. Als Grundlage vertraulicher personalisierter Lernberatung steht das Lernjournal in Widerspruch zur fachlichen Leistungsbewertung (und wird in der Regel nicht bewertet; Vertrauenskultur).
Das Portfolio dokumentiert die individuelle Geschichte und Entwicklung des Lernens. Es ist eine begründete, exemplarische und kontinuierlich zusammengestellte Sammlung von Arbeiten in verschiedensten Stadien und von Reflexionen, Vereinbarungen und Beurteilungen von Lehrenden und Lernenden. Mithilfe des Portfolios setzen sich die Schülerinnen und Schüler mit ihrem Lernen auseinander, stärken ihr Selbstbewusstsein und ihre Lernmotivation.

«Pull-out»-Programme sind Förderangebote, die zeitgleich neben dem Regelunterricht als Begabtenateliers stattfinden. Sie schaffen über den regulären Lehrplan hinaus eine Lernsituation, in der anspruchsvolle Methoden des forschenden Lernens, higher order thinking skills (höher stehende Denkfertigkeiten), und kreative Produktivität entwickelt werden und Lernende sich in ihrer Begabungsdomäne vertieft entfalten können. Die Schülerinnen und Schüler mit überdurchschnittlichen Fähigkeiten und Interessen werden dabei von einer speziell ausgebildeten Fachperson der Begabtenförderung angeleitet und begleitet. Die Inhalte der Pull-out-Programme gehen über diejenigen des regulären Lehrplans hinaus; sie orientieren sich an den individuellen Begabungsprofilen der Lernenden. Pull-out-Programme sind klassenübergreifend; sie können (je nach lokaler Situation) schulhaus- oder schulstufenübergreifend organisiert werden. 

R

Im Ressourcenzimmer stehen Lernmaterialien zur spezifischen Begabtenförderung und vertieften Auseinandersetzung sowie Medien zur erweiterten Informationsbeschaffung zur Verfügung. Organisierte Ressourcen-zimmer sind eine rein schweizerische Entwicklung. In anderen Bildungssystemen erfüllen diese Funktionen offen zugängliche und begleitete Schulbibliotheken und Mediotheken mit Arbeitsplätzen, Stillarbeitsräume zur individuellen Arbeit der Lernenden, offene Werkstätten sowie durch Fachpersonen begleitete Ateliers und Forscherräume.

S

Als schulischer Misfit wird verstanden, wenn die Fähigkeiten und Möglichkeiten von Schülerinnen oder Schülern nicht in «Passung» stehen zur Lernsituation oder zu den von ihnen verlangten kognitiven oder sozialen Leistungen. «Passung» wäre die Übereinstimmung der Möglichkeiten oder Bedürfnissen des Kindes oder Jugendlichen mit seiner Umwelt, den angebotenen Lerngelegenheiten und den angestrebten Entwicklungs-schritten, Kompetenzen oder Verhaltensweisen.
Misfit kann unterschieden werden in
• internen Misfit: mangelnde Übereinstimmung zwischen verschiedenen Entwicklungsmerkmalen des Kin-des; z. B. Misfit zwischen kognitiver und sozialer Entwicklung
• situativen Misfit: mangelnde Übereinstimmung zwischen Entwicklungsmerkmalen oder Potenzialen des Kindes und Merkmalen resp. Ansprüchen der sozialen Umwelt; z. B. schulische Über- oder Unterforderung
• externen oder sytemischen Misfit: mangelnde Übereinstimmung zwischen verschiedenen Umweltmerkmalen; z. B. verlangte Selbständigkeit bei gleichzeitiger Erwartung nach Anpassung; individuelle Lernprozesse bei gleichgeschalteter Leistungskontrolle usw. 
Misfit kann zu psychosomatischen Symptomen, Entwicklungsbeeinträchtigungen und/oder Verhaltensauffälligkeiten führen

Selbstgesteuertes Lernen steht als Begriff für einen Wandel im Unterricht von einer vorwiegenden Lehrplanorientierung zur Personenorientierung, der für die Begabungsförderung von grundlegender Bedeutung ist. Selbstgesteuertes Lernen als umfassender Begriff beinhaltet, dass Lernende über Ziele und Inhalte, über Formen und Wege, Ergebnisse und Zeiten sowie die Orte ihres Lernens so weit wie möglich und verantwortbar selbst entscheiden resp. mitentscheiden (Freiarbeiten, Projektarbeiten). Dabei ist schulisches selbstgesteuertes Lernen weder beliebig noch steuerungsfrei, sondern stets an Bildungsabsichten, Lehrplanvorgaben oder Lernarrangements gebunden. Innerhalb dieser sollen die Lernenden aber im Sinn der Auswahl und des interessengeleiteten Lernens, individueller Schwerpunktsetzung, des individuellen Grads an Vertiefung je nach Fähigkeiten, der benötigten Lernzeit sowie der Formen der Bearbeitung (Methoden, Lernstil und Sozialform) innerhalb einer Lerninszenierung weitgehend eigene Entscheide treffen und verantworten können.
Selbstgesteuertes Lernen trägt den Erkenntnissen der Selbstwirksamkeit und der Motivationspsychologie Rechnung. Darüber hinaus sollen Schülerinnen und Schüler lernen, selber Entscheide zu treffen, Positionen zu ergreifen und zu begründen und ihr Lernen mitzuverantworten (Kompetenz zu Lebenslangem Lernen). Von selbstorganisiertem Lernen (SOL) wird gesprochen, wenn Lernende bei vorgegebenen Inhalten und Zielen ihr eigenes Lernen selbst organisieren und Entscheidungen über die Art und Weise ihrer Lernorganisation fällen. Selbstgesteuertes und selbstorganisiertes Lernen verlangen nach individueller Lerndokumentation (Portfolio, Lernjournal) und personalisierter Lernbegleitung.

T

Im deutschsprachigen Begabungsdiskurs werden die beiden Begriffe «Begabung» und «Talent» oft synonym benutzt. Etwas differenzierter erschliesst sich ein feiner Unterschied aus der englischsprachigen Formulierung gifted education (Förderung von Begabten) und talent development (Entwicklung von Begabungen). 
Im schulischen Umfeld wird der Begriff «Talent» eher selten gebraucht. Demgegenüber nutzt die Berufsbildung vorwiegend diesen Begriff in dem Sinn, dass «junge Talente» gefördert und deren Begabungspotenziale verwirklicht werden sollen.
Der Begriff «Talent» gelangt auch in Begabungskonzepten nur bei Gagné (1991) zur Anwendung. Er geht davon aus, dass gegebene Begabungen durch Förderprozesse in Talente transformiert werden. Mit dieser Festlegung steht er aber alleine da. 
Weil sowohl der Begriff «Begabung» als auch «Talent» recht unspezifisch benutzt wird, wird die Unterscheidung in die Begriffe «Begabungspotenziale» (für die förderbaren Voraussetzungen der Lernenden) und «Hochleistung» (für realisierte Leistung) in der Begabungsdiskussion vorgeschlagen.

Als Taxonomien werden qualitative Gütestufen in Lernprozessen von der Anbahnung bis zur Exzellenz resp. Verinnerlichung bezeichnet. Während Auswendiglernen und Reproduktion von Begriffen eine noch eher banale Denkstufe beinhalten, erfordern Evaluation oder kreative Problemlösungen höhere kognitive Prozesse. Ebenso: Während Nachspielen auf dem Instrument und das Einhalten des Takts eher basale Stufen von Musikalität darstellen, finden sich Interaktion in einem Ensemble, Interpretation und persönlicher musikalischer Ausdruck des Virtuosen auf hohen Stufen der musikalischen Taxonomie. 
Taxonomiemodelle existieren in den kognitiven, psychomotorischen, affektiven und moral-ethischen Bildungsbereichen.

Mit «Twice Exceptional» wird das Phänomen bezeichnet, dass Menschen mit (Hoch-)Begabungen gleichzeitig Persönlichkeitsstörungen, Lern- oder Verhaltensauffälligkeiten aufweisen können. Beispiele sind der (hoch-)begabte ADHS-ler, der (hoch-)begabte Tüftler mit sozialen Schwierigkeiten, die neurotische Künstlerin, der (hoch-)begabte Autist, die blinde (Hoch-)begabte. 

Z

Dem Prinzip der Anschlussfähigkeit an das individuelle Vorwissen und dem damit verbundenen konstruktivistischen Lernverständnis folgend, schliesst das Erlernen von Neuem jeweils an bisherige Kenntnisse (Präkonzepte) und die vorangegangene Lernbiografie an. Diese sogenannte zone of proximal development oder «Zone nächster Entwicklung» ist – je nach Bildungshintergrund und Vorerfahrungen – bei jedem und jeder Lernenden unterschiedlich. Die Lernpsychologie berücksichtigt dies einerseits durch das Erfassen des jeweiligen Vorwissens bei Lernenden, damit diese im nachfolgenden Lernprozess an ihr Vorwissen andocken können und andererseits durch differenzierende Lernarrangements und eine individualisierende Lernbegleitung und Leistungsbewertung.

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